Manfred Nowak, Menschenrechtsjurist und UN-Sonderberichterstatter, �ber seine Untersuchungen gegen die chinesische Regierung. profil, 12. M�rz 2007
http://www.misik.at/die-grossen-interviews/hoher-organisationsgrad.php
Sie haben sich auf Basis des kanadischen Reports zur Untersuchung der Vorw�rfe entschlossen. Wie dicht ist das dokumentierte Material?
Nowak: Die beiden Kanadier kommen
zu klaren Schlussfolgerungen. Die Indizienkette, die sie dokumentieren, gibt ein
stimmiges Bild, das sehr zur Besorgnis Anlass gibt.
Welche Indizien
genau?
Nowak: Dass Falun Gong seit 1999 sehr unterdr�ckt wird, ist ein Faktum. Ebenso unbestreitbar ist, dass ab dem Beginn der Repression gegen Falun Gong die Anzahl an Organtransplantationen massiv zugenommen hat. Auch die offizielle chinesische Medizinerorganisation weist in ihren Statistiken aus, dass es zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2005 60.000 Organtransplantationen gegeben hat.
K�nnen die nicht auch freiwillig
gespendet worden sein?
Nowak: Das ist zumindest sehr
untersuchungsw�rdig, da in der chinesischen Gesellschaft, aus
religi�s-kulturellen Gr�nden, keine allzu gro�e Bereitschaft besteht, freiwillig
lebend oder nach dem Tod Organe zu spenden. Das wird von den chinesischen
Beh�rden auch offen zugegeben. Auch der Vizegesundheitsminister hat einger�umt,
dass ein Gro�teil der transplantierten Organe von Personen stammt, die
hingerichtet wurden.
Dann ist die Sache doch
eigentlich klar?
Nowak: Nun, die chinesische Seite
beharrt darauf, dass die Organspenden freiwillig seien. Wir wissen nicht, wie
viele Menschen hingerichtet werden, weil die chinesische Regierung die einzige
der Welt ist, die keine diesbez�glichen Statistiken ver�ffentlicht.
Entsprechende Daten von Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International
und anderen liegen zwischen 1500 und 4000 Hingerichteten j�hrlich. Was den
kanadischen Report angeht, so sieht man, dass es einen regelrechten Markt und
eine sehr gro�e Bereitwilligkeit, etwa von Spit�lern, gibt, potentiellen Kunden
entgegenzukommen. Sie versprechen, die Anforderungen in sehr kurzer Zeit zu
erf�llen. Innerhalb von wenigen Wochen erh�lt man ein Organ. Das setzt einen
hohen Organisationsgrad voraus.
Das hei�t, es werden Menschen
hingerichtet, wenn ein Kunde kommt?
Nowak: Die Vorw�rfe gehen in die
Richtung, dass auch Menschen hingerichtet werden, die noch nicht einmal
verurteilt sind, sondern die nur zwecks Organentnahme get�tet werden.
Kurzum: Es werden Menschen
hingerichtet, die nicht hingerichtet werden w�rden, g�be es keine Nachfrage?
Nowak: Das genau ist der Kern des
Vorwurfs. Hinzu kommt, dass Falun-Gong-Anh�nger, aufgund ihres Lebenswandels und
der soziologischen Typologie der Mitglieder ideale Organspender sind: Sie
rauchen nicht, trinken nicht, und sind meist im Alter von 25 bis 35 Jahren.
Der Fall scheint
klar?
Nowak: Ich selbst m�chte dazu noch kein Urteil abgeben, da meine Untersuchungen noch im Gange sind und ich noch wichtige Informationen der chinesischen Regierung erwarte. Der kanadische Bericht enth�lt keine wirklichen Beweise, aber viele schl�ssige Indizien. Die Anschuldigungen von Falun Gong - z.B. dass in einem Spital bei Sujiatun (Provinz Shenyang) allein 6000 ihrer Anh�nger zum Zweck des Organhandels get�tet wurden, scheint jedenfalls �berzogen und wird selbst von prominenten Regierungskritikern wie Harry Wu, mit dem ich zu dieser Frage ausf�hrlich in Washington gesprochen haben, kategorisch in Abrede gestellt. Die Vorw�rfe sind so massiv, dass ich mich dazu erst dann �u�ern werde, wenn es wirkliche Beweise gibt. Jetzt ist jedenfalls die chinesische Regierung am Zug, die Indizienkette Punkt f�r Punkt durch entsprechende Fakten (z.B. die genaue Zahl der Hinrichtungen, die genaue Herkunft der transplantierten Organe) zu entkr�ften. Die massiven und von verschiedenen Seiten erhoben Vorw�rfe einfach pauschal zur�ckzuweisen reicht jedenfalls nicht aus.